Bilder eines Vereinsamten
Das Museum Gunzenhauser erinnert an den kaum bekannten jüdischen Künstler Fritz Ascher: Dessen expressionistisch-symbolistische Bilder sind eine echte Wiederentdeckung wert, denn zwei Weltkriege konnten seine künstlerische Kraft nur schwächen – aber nicht brechen
Matthias Zwarg
CHEMNITZ – Es gibt ein Porträt von Fritz Ascher aus dem Jahr 1912, gemalt von seinem Freund Eduard Bischoff. Es zeigt einen optimistischen jungen Mann: Anzug, rote Krawatte, frech den Kopf auf den Arm gestützt, lächelt er froh und selbstbewusst dem Betrachter entgegen. Und es gibt ein Selbstporträt von Fritz Ascher aus dem Jahr 1953: Weiss und grau über schwarzer Tusche, Aquarell-Farbtupfer wie Wunden in dem Gesicht, in das so etwas wie die Suche nach Fassung nach dem Entsetzen eingeschrieben ist.
Dazwischen ein Leben, exemplarisch für das vorige Jahrhundert der Kriege und des Opportunismus, ein Leben mit frühen Erfolgen als Maler, ein Leben in Gefängnissen und in Verstecken, ein Leben mit einem Neuanfang als Maler, ein Leben, das nach 1945 nie mehr so sein konnte, wie es war.
Schon in jungen Jahren, um 1914, hatte Fritz Ascher den “Vereinsamten” gemalt, einen kräftigen, gebrochenen Mann vor düsterer Landschaft, der das vorweg zu nehmen scheint, was Ascher selbst und Millionen anderen Menschen unter der nationalsozialistischen Herrschaft an Leid geschehen sollte. Geboren wird Ascher am 17. Oktober 1893 in Berlin in einer jüdischen Familie. 1901 treten Vater und Kinder aus dem Judentum aus, während die Mutter jüdisch bleibt. Das künstlerische Talent des Jungen wird früh sichtbar, 1909 bekommt er ein Stipendium von Max Liebermann, ab 1913 arbeitet er als freier Künstler in Berlin, studiert aber auch weiter, unter anderem bei Lovis Corinth – ein Einfluss, der in einigen Bildern Fritz Aschers sichtbar wird. 1914 trifft er Edvard Munch in Norwegen – auch dessen Spuren finden sich in Aschers Werk. Bis 1933 malt er meist expressive, expressionistische Bilder zu religiösen Themen und mit symbolistischem Gehalt – “Golgatha”, “Der Golem”. Es sind farb- und formgewaltige Epen, die, ohne explizit auf die Zeit, den Ersten Weltkrieg, die Novemberrevolution, die Wirren danach, Bezug zu nehmen, doch den Kampf und den Krampf der Menschen, der Gesellschaften jener Jahre widerspiegeln. Daneben entstehen aber auch Zeichnungen aus dem Berliner Gesellschaftsleben, oft fast im ironischen Stil George Grosz’. Ätzend bissig, mit sicherem Strich schnell hingeworfen, fangen sie das Tempo der “Goldenen Zwanziger” Jahre, aber auch die bourgeoise Dekadenz der Weimarer Republik ein.
Das Jahr 1933: die Machtübernahme Hitlers und der Nazis verändert alles. Fritz Ascher lebt unter wechselnden Adressen, 1938 wird er im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, kommt nach der Intervention eines Bekannten frei. 1939 wird er erneut verhaftet, muss vier Monate im Polizeigefängnis Potsdam verbringen, kommt wieder durch Vermittlung von Freunden frei, muss sich aber dreimal wöchentlich bei der Polizei melden. Ab 1941 muss er den gelben Stern tragen. 1942 warnt ihn ein Polizeihauptwachtmeister vor der Deportation – drei Jahre lang lebt Fritz Ascher nun versteckt in der Wohnung, später im Kartoffelkeller einer Freundin. Malen kann er dort nicht, stattdessen schreibt er Gedichte. Unter anderem jenes, das der Ausstellung im Museum Gunzenhauser den Title gab: “Leben ist Glühn.” Auch der von ihm verehrten Käthe Kollwitz widmet Ascher ein Gedicht: “Es war das Herz dem / Du begegnet; / Was Tat geworden / vor Dir lag… Wo Mitleid, Liebe / Meinend.”
Am 25. April 1945 zerstört ein Bombenangriff die meisten Bilder Fritz Aschers. Nach der Befreiung Berlin-Grunewalds durch die Amerikaner beginnt Ascher wieder zu malen. Doch seine Bilder werden nicht mehr dieselben sein, so wie sein Leben nicht mehr dasselbe ist. Aus dem jungen, optimistischen, auch von der Kritik gelobten Künstler ist ein scheuer, vom Schrecken gezeichneter Mann geworden. Er malt vergehende, im Licht verschwimmende Landschaften – in denen das Expressionistische nur noch leise und schwach nachhallt.
1946/47 gibt es zwei kleinere Ausstellungen, danach verweigert er sich 20 Jahre lang aller Öffentlichkeit: keine Ausstellungen, keine Verkäufe – Malerei als Rückzug, als Schutz vor der und gegen die Welt. Eine “Sonne” gibt es aus den 1950er Jahren – sie scheint noch einmal zu explodieren ins Unförmige, alles mit sich zu reissen – so wie die Zeit das Leben Fritz Aschers mit sich gerissen und ihn als den “Vereinsamten” zurückgelassen hat, den er lange zuvor gemalt hatte.
Die Ausstellung “Leben ist Glühn – Der Deutsche Expressionist Fritz Ascher” ist noch bis zum 18. Juni im Museum Gunzenhauser in Chemnitz zu sehen. Geöffnet ist Dienstags bis Sonntags 11 bis 18 Uhr.