Moritz van Dülmen, Wolf Kühnelt und Bjoern Weigel (Eds.). Zerstörte Vielfalt. Berlin 1933-1938-1945. Eine Stadt erinnert sich. / Diversity Destroyed. Berlin 1933-1938-1945. A City Remembers.
Exhibition catalogue. Berlin: Kulturprojekte Berlin 2013, p. 271

Frankfurter Tor / Diversity and Underground Culture

Nowadays, “diversity and underground culture” makes us think of subcultures operating on the fringes of mainstream commercial culture – a place of nonconformists, bohemians and free thinkers.

Between 1933 and 1945, this was often an illegal and extremely dangerous lifestyle. As in any era, the Nazi period had its share of non-conformists and individualists. But those outside the mainstream now included groups who were excluded, discriminated against, and persecuted. Such groups were denounced as “degenerate” or accused of “cultural Bolshevism”. The same applies to those considered “alien” or “un-German” and who were rigorously persecuted and targeted for extermination as part of the Nazis’ racial policies.

But despite all the energy that Hitler’s regime and its hordes of self-appointed “cultural guardians” invested in destroying every last undesirable element, pockets of “underground diversity” remained. Just as Jazz musicians never stopped loving Jazz just because it was labelled “nigger music”, homosexuals never stopped being homosexual just because same-sex relationships were officially forbidden – even though perpetrators could expect draconian punishments up to and including internment in a concentration camp.

The Frankfurter Tor, in the famously diverse and cosmopolitan area of Friedrichshain-Kreuzberg, stands symbolically for those who, despite being faced with criminalization and even death, represented diversity during the Nazi-era – going on to suffer very different fates. These include the painter Fritz Ascher, who went into hiding to escape the insane anti-Semitic policies of the National Socialists; the singer Margot Friedländer, who hid in plain sight on the open stage and whose life was saved by her feigned Spanish nationality; the groups of young people who opposed the homogenizing efforts of the Hitler Youth organization; and homosexuals like Otto B., who were tortured by the Gestapo for exercising their human right to self-determination. We should also remember the helpers who often put themselves at great personal risk for various different reasons. They are all part of the “underground diversity” that was opposed und suppressed by the Nazis, but never completely destroyed.

Frankfurter Tor / Vielfalt im Untergrund

Heutzutage weckt “Vielfalt im Untergrund” Gedanken an die Subkultur jenseits des Massengeschmacks und des Kommerzes, an die Unangepassten, die Lebenskünstler, Aussteiger und Querköpfe.

In den Jahren 1933 bis 1945 bedeutete es vielfach Illegalität und extreme Gefährdung. Natürlich gab es sie auch in der NS-Zeit, die Querköpfe und diejenigen, die anders sein wollten. Doch nun kamen diejenigen hinzu, die diskriminiert, ausgegrenzt und verfolgt wurden, die mit Verdikten wie “entartet” oder “kulturbolschewistisch” belegt wurden. Ebenso wie Menschen, die als “artfremd” oder “undeutsch” aus rassistischen Motiven rigoros verfolgt wurden und ausgemerzt werden sollten.

Doch so viel Energie das Hitler-Regime – und mit ihm Horden vermeintlicher Kulturwächter – darauf verwandten, alles Unerwünschte zu zerstören: Es blieben Nischen, es blieb “Vielfalt im Untergrund”. Genauso wenig wie Jazz-Musiker aufhörten, Jazzmusik zu lieben, nur weil diese als “Niggermusik” diffamiert wurde, so wenig hörten Homosexuelle auf, homosexuell zu sein, nur weil die gleichgeschlechtliche Liebe offiziell verboten war – selbst wenn diese mit drakonischen Strafen bis hin zu KZ-Haft geahndet wurde.

Das Frankfurter Tor im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der heute wie kaum ein anderer Vielfalt und Weltoffenheit repräsentiert, steht symbolisch für diejenigen, die angesichts von Illegalität und unter Gefährdung ihres Lebens während der NS-Zeit Vielfalt repräsentierten – und dabei die unterschiedlichsten Schicksale erlitten.

So wie der Maler Fritz Ascher, der sich vor dem antisemitischen Rassenwahn der Nationalsozialisten in den Untergrund flüchten musste; wie die Sängerin Margot Friedländer, deren “Versteck” die offene Bühne war, die ihr als vermeintlicher Spanierin das Überleben sicherte; wie die Jugendcliquen, die sich auch ohne politische Ziele der Uniformisierung durch die Hitlerjugend entgegenstellten; wie Homosexuelle, die wie Otto B. ihr Menschenrecht auf ein selbstbestimmtes Leben mit Gestapo-Folter bezahlten. Und nicht zu vergessen wie die Helferinnen und Helfer, die aus den unterschiedlichsten Motiven oft hohe persönliche Risiken eingingen. Sie alle sind Teil einer “Vielfalt im Untergrund”, die von den Nationalsozialisten zwar unterdrückt und bekämpft, aber nicht völlig zerstört werden konnte.

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